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Hängepartie geht weiter – vorläufiger Befund lautet: Berliner Mietspiegel ist kein „qualifizierter“!
Landgericht Berlin schiebt endgültige Entscheidung auf
08.10.2014 (GE 18/2014, S. 1159) Das Landgericht Berlin nimmt die Einwände des Statistikwissenschaftlers Prof. Krämer gegen den Berliner Mietspiegel offenbar ernst. Als vom Gericht bestellter Gutachter hatte Krämer, wie berichtet (vgl. GE 2014, 763), Zweifel daran geäußert, dass die Berliner Mietspiegel nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt worden sind. Das ist jedoch Voraussetzung dafür, dass sie als „qualifizierte“ Mietspiegel nach § 558 d Abs. 3 BGB gelten; bei qualifizierten Mietspiegeln gilt eine gesetzliche Vermutung, dass die im Mietspiegel enthaltenen Mietwerte die ortsübliche Vergleichsmiete wiedergeben. Das Landgericht hatte Krämer in einer mündlichen Verhandlung angehört und mit Hinweisbeschluss vom 9. September 2014 mitgeteilt, dass das Beweisergebnis mindestens erhebliche Zweifel begründe, dass der Mietspiegel nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt worden sei. Die Hängepartie geht damit weiter.
Zur Historie: Den „Stein ins Rollen gebracht” hat die Entscheidung des BGH vom 21. November 2012 - VIII ZR 46/12 - (GE 2013, 197), in der ein Urteil des LG Berlin, ZK 63, in einem Mieterhöhungsverfahren aufgehoben und zurückverwiesen worden ist. Im zugrunde liegenden Fall hatte der Vermieter die Zustimmung zur Mieterhöhung zu einer Miete verlangt, die über dem Berliner Mietspiegel 2009 lag, was er damit begründete, dass sich die Wohnung in „bester Wohnlage” befinde, die es im Mietspiegel nicht gebe. Das Landgericht hatte jedoch gemeint, eine Mieterhöhung sei nur im Rahmen des Mietspiegels berechtigt, weil wegen der Qualifikation des Mietspiegels die dort bezeichneten Entgelte die ortsübliche Vergleichsmiete wiedergeben würden.
Der BGH hielt allerdings die Auffassung des Vermieters, der Mietspiegel sei nicht nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt, weil er keine„beste Wohnlage“ ausweise, für ausreichend substantiiert und meinte, das Landgericht hätte dazu Beweis erheben müssen. Dabei trage die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines qualifizierten Mietspiegels die Partei, die sich die Vermutungswirkung zunutze machen wolle – in diesem Fall der Mieter. Die ZK 63 beschloss daraufhin, ein Sachverständigengutachten zur Erhebungsmethodik des Mietspiegels 2009 einzuholen, um überprüfen zu können, ob der Mietspiegel nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt worden ist. Nach Erstellung des Gutachtens ist der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung vom 5. August 2014 angehört worden.
Zum weiteren Verfahren: Mit Hinweisbeschluss vom 9. September 2014 hat das LG mitgeteilt, dass das Beweisergebnis mindestens erhebliche Zweifel begründe, dass der Mietspiegel nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt worden sei (vgl. dazu die Darstellung in GE
2014, 763 zum gleichartigen Gutachten des Sachverständigen zum Berliner Mietspiegel 2013, der in einem Rechtsstreit vor dem AG Charlottenburg auf dem Prüfstand steht). Der Sachverständige habe sowohl wegen der Repräsentanz der Daten aufgrund der geringen Rückläuferquote als auch angesichts der bei der Extremwertbereinigung angewandten Standardabweichung statt der Boxplot-Methode maßgebliche Defizite bei der Einhaltung anerkannter wissenschaftlicher Grundsätze dargetan. Der Mieter, der sich auf die Vermutungswirkung des Mietspiegels 2009 nach § 558 d BGB beruft, sei daher nach dem bisherigen Erkenntnisstand beweisfällig geblieben. Ein weiteres Gutachten, wie von dem Mieter beantragt, will das LG wohl nicht einholen. Denn es sei nicht ersichtlich, dass der Sachverständige seinerseits anerkannte statistische Grundsätze nicht beachtet habe und aufgrund welcher Umstände ein anderer Sachverständiger danach zu einem anderen Beweisergebnis gelangen werde. Die Kammer hat in dem Hinweisbeschluss den Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben und Termin zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung auf den 11. November 2014 anberaumt. Fazit: Es wäre unseriös, jetzt Mutmaßungen zur weiteren Entwicklung des Rechtsstreits anzustellen. Selbst wenn die Kammer dem Berliner Mietspiegel 2009 die „Qualifikation“ absprechen und ggf. ein Mietpreisgutachten einholen würde, bliebe noch offen, ob ein entsprechendes Urteil rechtskräftig würde, weil vielleicht der BGH in einer weiteren Revision das letzte Wort hätte. Eines kann man aber jetzt schon sagen: Es dürfte „waghalsig” und nicht zu vertreten sein, wenn bei der Erstellung des nächsten Mietspiegels wieder so vorgegangen werden würde wie bisher. Die Domino-Wirkung auf andere Mietspiegel in Deutschland ist ohnehin schon jetzt nicht zu unterschätzen.
Autor: Klaus Schach